Wissenschaftler beobachten seit langem ein eigenartiges Phänomen rund um den Erdmond: eine riesige, asymmetrische Staubwolke, die ständig hinter ihm herzieht. Nun liefert eine neue Studie eine überzeugende Erklärung für diese merkwürdige Asymmetrie, indem sie sie mit den extremen Temperaturunterschieden zwischen der sonnenbeschienenen und der schattigen Seite des Mondes in Verbindung bringt.
Der Mondregolith: Eine ständige Staubflut
Die Mondoberfläche ist keine glatte, feste Landschaft. Stattdessen ist es von einer Schicht aus grauem Staub und losen Steinen namens Regolith bedeckt. Dieser Regolith wird kontinuierlich durch einen unerbittlichen Bombardement von Mikrometeoroiden erzeugt – winzigen Weltraumgesteinen, die bei Kollisionen von Asteroiden und Kometen entstehen. Da der Mond über keine Atmosphäre verfügt, um ankommenden Weltraumschrott zu verbrennen (ein Phänomen, das auf der Erde „Sternschnuppen“ entstehen lässt), treffen täglich Tonnen dieser Mikrometeoroide auf die Mondoberfläche und zermahlen das Gestein zu feinem Staub.
Eine massive, asymmetrische Staubwolke
Im Jahr 2015 entdeckten Forscher, dass der Einschlag dieser Mikrometeoroide nicht nur Staub erzeugt; es hebt es in den Weltraum. Dieser Prozess erzeugt eine riesige Staubwolke, die sich Hunderte von Kilometern über der Mondoberfläche erstreckt. Die Wolke ist zwar nicht sichtbar dick, weist aber eine auffällige Asymmetrie auf: Sie ist über der sonnenbeschienenen Seite des Mondes – der Seite, die zu jedem Zeitpunkt der Sonne zugewandt ist – dichter als ihr dunkleres Gegenstück. Laut Sébastien Verkercke, einem Postdoktoranden und Hauptautor der Studie, ist „die Wolke nahe der Oberfläche in der Nähe des Morgendämmerungsterminators am dichtesten“ – der Trennlinie zwischen Sonnenlicht und Schatten. Die Staubdichte ist unglaublich niedrig, „die maximale gemessene Dichte betrug nur 0,004 Partikel pro Kubikmeter (das entspricht 4 Staubkörnern in einem Getreidesilo).“
Der Temperaturzusammenhang: Eine neue Hypothese
Zunächst führten Wissenschaftler die Schiefheit der Wolke auf bestimmte Flugbahnen der Meteoriten zurück, die Einschläge auf der Tagesoberfläche begünstigten. Der drastische Temperaturunterschied zwischen Mondtag und Mondnacht erschien den Forschern jedoch als potenziell entscheidender Faktor. Die Mondoberfläche kann sengende Temperaturen erreichen, die deutlich heißer sind als die heißesten Orte der Erde, während die Mondnacht Temperaturen erreicht, die kälter sind als in der Antarktis. Verkercke und seine Kollegen stellten die Hypothese auf, dass dieser extreme Temperaturunterschied – ein Unterschied von bis zu 285 Grad Celsius – für die asymmetrische Form der Wolke verantwortlich sein könnte.
Computersimulationen enthüllen die Wahrheit
Um diese Hypothese zu testen, verwendeten Verkercke und seine Kollegen, ein Forscherteam US-amerikanischer und europäischer Universitäten, Computermodelle. Die Simulationen verfolgten winzige Meteoriten (ungefähr so breit wie ein menschliches Haar), die bei zwei verschiedenen Temperaturen auf Mondstaub einschlugen: 233 Grad Fahrenheit (112 Grad Celsius) und minus 297 Grad Fahrenheit (minus 183 Grad Celsius), was den durchschnittlichen Tages- bzw. Morgendämmerungstemperaturen des Mondes entspricht.
Darüber hinaus berücksichtigten die Modelle die Dichte oder „Flauschigkeit“ der Mondoberfläche, da „die ausgestoßenen Staubkörner dann einzeln verfolgt werden, um ihre Verteilung im Raum zu überwachen“. Die Simulationen zeigten, dass Meteoroiden, die auf „flauschigeren“ Oberflächen aufprallten, aufgrund des Dämpfungseffekts weniger Staub ausschleuderten. Umgekehrt erzeugten Stöße auf kompakteren Oberflächen mehr Staubpartikel, die sich mit geringerer Geschwindigkeit fortbewegten.
Wichtigste Erkenntnisse: Staubdichte und Temperatur
Die Ergebnisse der Studie stützen die Temperaturhypothese nachdrücklich. Sie fanden heraus, dass Meteoroiden am Tag 6 bis 8 % mehr Staub aufwirbelten als Meteoroiden in der Nacht. Darüber hinaus besaß ein größerer Teil der bei höheren Temperaturen erzeugten Staubpartikel genügend Energie, um umlaufende Satelliten zu erreichen, die sie erkennen konnten. „Sowohl die größeren Mengen an aufgewirbeltem Staub als auch die größeren Staubanteile, die die Satelliten erreichen, könnten den Staubüberschuss am Tag erklären“, schlussfolgerten die Forscher.
Zukünftige Forschung: Expansion in andere Welten
Die Forschung des Teams stellt einen bedeutenden Fortschritt beim Verständnis der Dynamik des Mondstaubs und seiner Auswirkungen auf die Weltraumumgebung dar. Sie planen, ihre Analyse auf andere Körper im Sonnensystem auszudehnen, die in ähnlicher Weise von kleinen Meteoroiden bombardiert werden. Ein besonders interessantes Ziel für zukünftige Untersuchungen ist Merkur, da seine Oberfläche tagsüber noch heißer ist und der Temperaturkontrast zwischen Tag und Nacht größer ist, was wahrscheinlich zu einer noch ausgeprägteren Asymmetrie in seiner Staubwolke führen würde.





























